Selbstgesteuertes Handyverhalten – Aber wie?
Dass Handyverbote an Schulen, die mit dem Smartphone einhergehende Probleme (wie Suchtverhalten, psychische Gesundheit, Gehirnentwicklung, Schlafqualität, Aufmerksamkeitsvermögen, potenziell demokratiegefährdende Auswirkungen usw.) nur kurzfristig „lösen“, aber keinen nachhaltigen und vor allem positiven Einfluss auf das Nutzungsverhalten der Lernenden haben, wird durch aktuelle Medienbeiträge immer deutlicher erkennbar. Nun stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, Schüler:innen bei der Entwicklung eines selbstgesteuerten Umgangs mit ihren digitalen Endgeräten zu unterstützen.
Eine erfolgversprechende Idee, damit eine solche Umsetzung an Schulen gelingen kann, scheint ein PEER-Projekt zu sein. Ziel dabei ist, dass Jugendliche voneinander und miteinander lernen. Schüler:innen aus höheren Klassen setzen sich tiefergehend mit dieser Handy-Problematik anhand der nachgestellten drei Säulen auseinander. Anschließend erarbeiten sie einen Workshop oder Ähnliches, um die Lernenden der unteren Klassen für die für sie wichtigen und entscheidenden Aspekte zu sensibilisieren. An dieser Stelle könnte man sich die Frage stellen, warum genau ein PEER-Projekt als sinnvoll erachtet wird:
Gerade bei Themen wie dem Umgang mit sozialen Medien usw. schreiben Lernende ihren Lehrpersonen möglicherweise nicht die größte Kompetenz zu. Daher kann hier gut mit Schüler:innen angeknüpft werden, welche die gleichen APPs verwenden und auch „aktuell“ mitten im Geschehen sind. Darüber hinaus bietet die „Ausbildung“ zu den PEERs die Möglichkeit, dass diese selbst einen großen Zugewinn an Wissen und Erkenntnissen – zusätzlich zu ihren bisherigen Erfahrungen – zu diesem Thema erleben. Zudem wird gerade beim Planen, wie und welche Aspekte weitergegeben werden sollen, dieses Wissen gefestigt, wodurch nicht nur die Lernenden der unteren Klassen profitieren, sondern auch die PEERs in einen Reflexionsprozess geführt werden.
An welchen drei Säulen können sich Schulen orientieren, um mithilfe eines solchen Projektes einen besseren Umgang mit dem Handy an der Schule und infolgedessen auch im Alltag der Lernenden zu unterstützen:
- Erfahrung: Schüler:innen, die als PEERs fungieren, sollen ihren eigenen Umgang reflektieren. Es scheint nicht sinnvoll zu sein, ihnen darzulegen, welche und wie viele negative Aspekte das Smartphone mit sich bringt. Zielführend ist eine Herangehensweise, in welcher die Lernenden angeregt werden, selbst über den Tellerrand hinauszuschauen und den eigenen Umgang zu hinterfragen. Auch das bewusste Wahrnehmen der Umgebung sowie das Hinterfragen der eigenen Interessen stehen im Vordergrund. Dieser Reflexionsprozess kann durch kleine Impulse und dem anschließenden Erarbeiten des persönlichen Gewinns durch das Handy gestützt werden.
- Wissen: Neben den eigenen Erfahrungen spielt auch eine gewisse theoretische Befundlage eine entscheidende Rolle, um ein tieferes Verständnis für problematische Folgen zu entwickeln. Möglichkeiten dafür wären, sich mit der Gruppe Dokumentationen zu diesem Thema anzuschauen oder mit ihnen beispielsweise aktuelle wissenschaftliche Studien zu betrachten. Zudem stellt auch ein Grundverständnis für Algorithmen sowie ein Verständnis für die Strategie und das Design von Konzernen wie Instagram, Google, TikTok usw. eine zentrale Diskussionsgrundlage dar und fundiert bzw. begründet möglicherweise auch die eigenen Erfahrungen. Darüber hinaus kann im Zuge dieser Säule auch ein kleiner Exkurs in die Neurobiologie erfolgen, um Aspekte wie das Suchtverhalten verstehen zu lernen.
- Routinebildung: Die letzte essenzielle Säule stelle die Bildung neuer Routinen dar. Lernende haben vermutlich im Rahmen der Reflexion eigener Interessen bemerkt, dass sie gewisse Hobbys vernachlässigen, da ihr Smartphone ihnen Zeit raubt oder in freien Minuten das Handy in die Hand genommen wird, anstatt die Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen. Gemeinsam gilt es Alternativen zu finden, aber auch zu erlernen, wie man auftretende Langweile aushalten kann. Fragen wie: Wann benutze ich mein Handy und wann lege ich es weg? können in den Raum geworfen werden. In der Gruppe können auch gemeinsame Überlegungen angestellt werden, wie eine sinnstiftende Schulkultur in Bezug auf das Handy entwickelt werden kann.
Mit dem Zugewinn an Informationen, dem Austausch untereinander sowie dem persönlichen Aha-Erlebnis können die Lernenden in der Gruppe nun Überlegungen im Hinblick auf die Frage „Was wollen wir Jüngeren mitgeben?“ anstellen. Durch das Planen einer möglichen Umsetzung für Jüngere sowie das Weitergeben von bedenkenswerten Aspekten zum Thema Handy reflektieren die Schüler:innen weiterhin ihren Umgang und ihr Verhalten, wodurch ihnen im besten Fall ein Zugang zum selbstgesteuerten Umgang mit dem Smartphone ermöglicht wird.
Text von: Sabine Sick, BEd