Blutleer oder duftige Routinen?

Zu oft tappen Lehrpersonen, wenn sie einige Dienstjahre absolviert haben, in die Falle, es sich in der vermeintlich wohltuenden Routine breit zu machen, ohne zu merken, dass sich damit das Lebendige und Dynamische – oft zunächst unbemerkt – verflüchtigt. Genau in einer solchen Situation werden Schulleitungen, Q-SKs oder engagierte Steuergruppen, die in der jeweiligen Schule auf Innovation, Entwicklung und Veränderung setzen, zum Stein des Anstoßes gleichermaßen wie zum Ziel energischer Abwehr oder zu Adressaten eines milde lächelnden, leicht resignativen Blicks. Das lässt Lehrpersonen, mögen sie auch noch relativ jung an Lebensjahren sein, gleich einmal ziemlich alt aussehen. 

Ein Blick in die Lehrgangs-Geschichte von COOL belegt die Erfahrung, dass der Anfangseifer, der sich nach so mancher absolvierter Weiterbildung eingestellt hat („back-home-Effekt“), auf Dauer zu verglühen droht; es braucht einerseits Impulse, erkannte pädagogische Ideale auf die „Straße der täglichen Arbeit“ zu bringen (also auch ein Stück weit in die Alltagsroutine) und andererseits Impulse, „blutleer gewordene“ Routinen zu erkunden, die letztlich Kontakt und Beziehung verhindern und Lehrpersonen – aus der Perspektive der Lernenden – beinahe als so etwas wie KI-Avatare erscheinen lassen: Die Schüler:innen wissen und kennen dann schon lange davor, was Lehrpersonen sagen und tun werden und kommen fallweise sogar auf den Geschmack, mit ihnen eine solche „Schachpartie“ (A. Wettstein) zu spielen, weil die Verlockung, einen dermaßen berechenbaren Gegner im Handumdrehen zu besiegen, einfach zu groß ist. Was die einen (zumindest eine Zeitlang, weil es ihnen auf Dauer auch fad wird) freut, bedeutet für die anderen – die Verlierer:innen – zunächst ein ungutes Gefühl am Abend eines Berufstages, etwas später einen Blick auf den Kalender, wann denn die nächsten Fenstertage anfallen und in weiterer Folge ein (er)drückendes Unlustgefühl beim Gedanken an jegliches Schulische. Spätestens dann braucht es die Intervention, das „Leben in den Beruf ´zurückzubitten`“. Und – um in der Bildersprache zu bleiben – je länger Lehrpersonen damit warten, umso scheuer und skeptischer ist das vergessene Leben geworden und es fühlt sich für die Betroffenen fast so an, als wolle das Leben zuerst wissen, wie ernst es der Lehrperson wirklich mit dieser Bitte ist. Oder anders formuliert: Es braucht dann das geduldige Werben um die Rückkehr des Lebendigen, nicht zuletzt deswegen, weil damit in weiterer Folge die Routinen nicht mehr ranzig riechen, sondern beglückend – als Platz-Schaffend für die Entfaltung des Lebendigen – duften. 

Es wird an dieser Stelle deutlich, dass Impulse von außen nicht zwangsläufig intrinsische Motivation beschädigen müssen, insbesondere dann, wenn diese externen „Herz-Schrittmacher“ daraufhin angelegt sind, Lehrpersonen und Schulführungskräfte zu unterstützen, sich ihre innere Energie als Kraftquelle zu erschließen und die persönliche Autonomie zu nähren.

Das COOL Impulszentrum hat die Bedeutung dieser Balance erkannt und möchte Angebote machen, dass pädagogisch Tätige im Ausbalancieren dieser beiden Werte gut unterstützt werden. In diesem Sinne werden zB Multiplikator:innen eingeladen, einmal jährlich die Multiplikator:innentagung zum Anlass zu nehmen, um die innere Aufmerksamkeit auf die Balance zwischen (self-)Awareness und routinegeleitetem Agieren richten – nicht zuletzt deshalb, damit sie als Rollenmodelle dafür wirken können. Auch der Anlass der (Re-)Zertifizierung eines Schulstandortes kann in dieser Funktion der Unterbrechung eines (vielleicht schon recht „blutarmen“) Routinehandelns betrachtet werden: Eine (Re-)Zertifizierung würde dann weniger den – an sich ohnehin problematischen – Touch haben, sich selbst als Lehrperson und Abläufe am Schulstandort so „herauszuputzen“, damit sie dem „Außenblick (den zu erfüllenden Kriterien)“ genügen können; sie würden vielmehr einen Impuls darstellen, „back to the roots“ zu gehen, d. h. sich und das Kollegium wieder mit seinen Idealen und pädagogischen Zielbildern zu verbinden und die Schule demgemäß „herauszuputzen“, völlig losgelöst von der Tatsache, dass die Zertifizierer:innen längst weg sind; die Nutznießer:innen – nämlich die Schüler:innen – sind ja dageblieben. 

Schulen mit ihren vielfältigen Herausforderungen brauchen heute Erwachsene, an denen junge Menschen sehen können, wie eine glückende Balance zwischen dem Lebendigen und dem vermeintlich „täglich Gleichen“ gelingen kann. Das COOL Impulszentrum versteht Personal- und Schulentwicklung in einem solchen integrativen Sinn, richtet sein Fort- und Weiterbildungsprogramm danach aus und leistet damit einen zwar nicht mainstream-verdächtigen, aber dafür umso fundamentaleren Beitrag für lebendig bleibendes Lehren und Lernen.

Text: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Hofmann, Uni Salzburg und COOL Board-Mitglied

 

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